Bachkantaten und Händels Dixit Dominus in erhellenden Zusammenhägen fantastisch musiziert

20.11.2023


Kann man mit Kantaten im 21. Jahrhundert ein spannendes Konzertprogramm bestreiten?
Dieser Frage beziehungsweise Herausforderung stellte sich Matthias Janz am 19.November mit dem Collegium Vocale des Flensburger Bachchors, dem Alte-Musik-Orchester Concerto Farinelli und Solistinnen sowie Solisten in der Marienkirche in Flensburg. Das Programm begann mit der Kantate "Es erhub sich ein Streit am Himmel" von Johann Christoph Bach, einem Cousin von Johann Sebastians Vater. Dieses Werk zeigt eine schon recht ausgefeilte Kompositionstechnik, Johann Christoph galt zu Lebzeiten als einer der besten Komponisten seiner Generation. Die Blechbläser und Pauken waren abseits des restlichen Orchesters im Seitenschiff der Kirche postiert, was auf manchem Sitzplatz bei ihrem ersten Einsatz zu einem gewissen Überraschungseffekt führte. 

Die zweite Kantate des Konzerts (BWV 71) war ein Frühwerk von Johann Sebastian Bach, das sich durch eine Vielzahl von vokalen Trillern und phantasievoll ausgearbeitete Instrumentierung auszeichnet. Schon in diesem Frühwerk sind eine ganzen Reihe von Elementen wiederzuerkennen, die auch die späteren Werke Bachs auszeichnen. Wunderschön musizierten Instrumantalisten, besonders die Flötistinnen und der vokale Solobass die Bassarie "Tag und Nacht ist Dein". Diese Arie erinnert sehr an Bachs "Schafe können sicher weiden" aus der Jagdkantate.

Es folgte mit "Dixit Dominus" (HWV 232) ein weiteres Frühwerk, von Georg Friedrich Händel, das ähnlich wie das Bachsche Frühwerk zuvor bereits eine Reihe von Charakteristika des Komponisten zeigt. Der Chor begann mit einem äußerst präzisen und homogenen Vortrag des Eingangschors. Der Klangraum der Marienkirche kam bei diesem Werk in Form eines angemessenen, nie zu lange andauernden Nachhalls voll zum Tragen. In diesem Werk wird musikalisch bereits mit Affekten gearbeitet, besonders schön artikuliert vorgetragen vom Chor im "Judicavit…", wenn es heißt: "Er wird zerschmettern ihre Köpfe", notiert als staccatohaft "herausgestottert", fast wie im Cold Song in Purcells King Arthur. Hier hat der Zuhörer bereits einige Dissonanzen auszuhalten und ein fast ostinatohafter nach unten gerichteter Lauf des Cellos unterstreicht das textliche Geschehen. Im "Dixit Dominus" fügen sich der Klangraum der Kirche, der Sound der historischen Instrumente sowie der homogene Chorklang zu einer Einheit die einfach passt. 

Nach einer kurzen Pause erklang dann eine weitere Kantate aus der Feder Johann Sebastian Bachs, "Ich hatte viel Bekümmernis" (BWV 21). Hier ist im ersten Chor ebenfalls schön zu erleben, wie Bach die Musik zur Untermalung des Textes eingesetzt hat, was als eines seiner Markenzeichen gelten kann. "Ich hatte viel Bekümmernis" steht bezüglich der Stimmung bzw. Atmosphäre in deutlichem Kontrast zu den im selben Stück unmittelbar folgenden Worten "Aber deine Tröstungen erquicken meine Seele". Hanna Zumsande trug hier das Sopransolo gleichzeitig hingebungsvoll und mitreißend kraftvoll vor. 
Am Ende des Konzerts reihte sich die Riege der Gesangssolisten in den Chor ein für einen ergreifenden Schlusschor. 

Kann man nun also im 21. Jahrhundert mit der Kunstform "Kantate" ein spannendes Konzert bestreiten? Dieses Konzert gab eine klare Antwort, mit überaus engagierten Musikerinnen und Musikern und einem sehr klug zusammengestellten Programm.