Das Concerto Köln und Midori Seiler zelebrieren Vivaldi in der Petruskirche Kiel im Rahmen des SHMF

Es war ein Fest, dieses überaus professionelle Orchester live zu erleben. Das Programm bestand überwiegend aus Konzerten Antonio Vivaldis, teilweise geschrieben für die Solovioline der "Anna Maria dal Violin", einem Waisenmädchen, das es unter der Anleitung ihres Mentors Vivaldis im venezianischen Waisenhaus bis zur wie man heute sagen würde "Stargeigerin" schaffte. Die Zusammenarbeit Vivaldis mit Anna Maria steht im Zentrum des Konzerts in der ehemaligen Kieler Marinekirche. Ähnlich wie auf der CD-Einspielung aus dem Jahre 2018 präsentiert das Konzert mit Konzerten weiterer Komponisten wie J.S. Bach (BWV 1056) und Baldassare Galuppi verschiedene Zugänge zum "Concerto-Prinzip" in […] Venedig zur Zeit Anna Marias." Diese Zugänge werden von den Musikerinnen und Musikern des ausschließlich mit Saiteninstrumenten besetzten Orchesters hervorragend herausgespielt. In etwa der Hälfte der Werke übernahm Midori Seiler den Solopart an der Violine. Dies geschieht aber erstaunlich organisch, es hat den Anschein, dass hier eine Musikerin aus der Mitte des Orchesters die Soli spielt. Das sagt viel über die Klasse des Orchesters, das wirklich alle erdenklichen Register zieht um die Musik des 17. und 18. Jahrhunderts für "heutige" Ohren geschmackvoll zu präsentieren. Obwohl auf historischen Instrumenten spielend, schafft Concerto Köln einen satten, vollen Klang, der niemals zu mächtig wird um die Rollen der unterschiedlichen Instrumentengruppen zu erschließen.Meist stehen, wie in jener Epoche häufig der Fall, zwei Teilorchester einander gegenüber, die auf der Bühne räumlich getrennt an der linken und rechten Bühnenseite platziert sind. In der Mitte dann die Continuogruppe mit Cembalo, zwei Celli sowie einer Erzlaute. Die Musikerinnen an beiden Enden spielten einander die Vorlagen zu, ergänzten, variierten und wiederholten in leiserer oder lauterer Form zuvor angespielte Motive. Sollte für dieses an Höhepunkten und Einfällen extrem reiches Konzert ein Highlight herausgestellt werden, so ist es Vivaldis Concerto ripieno c-Moll (RV120). Besonders die Fuge des Allegro, lässt viel von dem erklingen, was für die Zeit des Barock charakteristisch ist. Im folgenden Violinkonzert mit Midori Seiler an der Solovioline hört das faszinierte Publikum dann melodische Wendungen, Effekte und Rhythmik, die denen der "Vier Jahreszeiten" sehr nahe stehen. Das gilt besonders für das Allegro, das Midori Seiler die Gelegenheit gibt, ihrer Violine Klänge zu entlocken, die man als geradezu unglaublich bezeichnen möchte. Gemeinsam mit den überwiegend stehend spielenden Mitgliedern des Concerto Köln gelingt ihr an diesem Abend ein Konzert, das an Variation und Unterhaltsamkeit nur schwer zu überbieten ist.Es war für mich persönlich die Erfüllung eines lange gehegten Traums, dieses Orchester einmal live spielen zu hören. Meine Erwartungen wurden noch übertroffen und es zeigte sich, dass dieses Konzert es wert war, mit meinem Entschluss, kein Konzert in der Petruskirche zu besuchen, zu brechen.Nur wäre es schön gewesen, ein etwas umfangreicheres Programmheft zu erhalten. Dem kostenlos verteilen Leaflet fehlte eine Besetzungsliste, so dass musikalische Laien wie ich die Kirche im Unklaren darüber verließen, ob es sich bei dem ungewöhnlichen Saiteninstrument im Continuo um eine Erzlaute oder Theorbe handelt. Aber was wiegt das schon gegenüber dem Barockfest, das das SHMF allen Zuhörern an diesem lauen Sommerabend in Kiel bescherte. Wieder einmal herzlichsten Dank für ein geradezu perfektes Konzerterlebnis!