Das Kyiv Symphony Orchestra und das Trio "Time for Three" überraschen und faszinieren das SHMF-Publikum im Deutschen Haus Flensburg

26.08.2024

"Musik kann eine Geschichte erzählen", das ist der Titel einer Unterrichtsreihe, die viele Menschen im Musikunterricht genossen und dabei Smetanas Moldau seziert haben.Kevin Puts erzählt in seinem Werk "Contact" eine etwas modernere Geschichte, die darlegt, dass das Knüpfen neuer Kontakte oft keine einfache Sache ist. Nick Kendall, Charles Yang und Ranaan Meyer vom Trio "Time for Three" intonieren das Leitmotiv vokal, es klingt wie ein professionelles Vokalensemble, etwa "Voces 8". Dann spielen die drei sphärische Geigenklänge unterstützt von sonorem Orchesterklang zunächst der Streicher und etwas später des gesamten Klangkörpers. Man beginnt, Assoziationen zu entwerfen, erschließt sich eine Welt – bis das nächste Motiv neue Farben in das Bild bringt. Das Interplay zwischen dem Trio und dem Orchester erinnert teilweise an einen Kampf unterschiedlicher Kräfte oder Ideen, teilweise aber unterstützen beide einander. Das gesamte Werk ist gekennzeichnet von einer faszinierende Rhythmik, was die üppige Besetzung des Schlagwerks noch unterstützt.Besonders spannend ist Übergang vom ersten zum zweiten Satz. Nachdem das Trio lyrisch-sinnierend wieder Stimmen als Instrument einsetzt, wird der zweite Satz attacca begonnen. Dieser hat einen vollkommen anderen Charakter. Pauken und Blechbläser sowie Bassgruppe hämmern einen bedrohlich wirkenden Puls, Gegenpol dazu bilden aufgeregt-hektisch flatternde Streicherklänge, geführt vom Trio. Ob es Morsesignale sind, wie das Programmheft es als Idee des Komponisten erwähnt oder andere Wesen, die diese antigonal agierenden klanglichen Elemente verkörpern, ist der Fantasie der Zuhörer überlassen. Der mit "Contact" betitelte dritte Satz wirkt wieder sehr harmonisch und lyrisch, geradezu versöhnlich-besinnlich.Der abschließende vierte Satz trägt den Titel "Convivium" (etwa: "Zusammenleben"). Seine Atmosphäre erinnert an Volkstänze. Auch hier bestechen die Musiker des Trios, aber auch das Orchester mit einer fesselnden, recht komplexen und schnellen Rhythmik. Gegen Ende entlocken die Streicher im Orchester ihren Saiten einen überraschend vokal klingenden Sound. Der Komponist Kevin Puts ließ sich laut Programmheft von der Vorstellung eines Kontakts mit außerirdischem Leben leiten. Ich persönlich habe eher Bilder einer Mittelerde-artigen Geschichte vor Augen. Wie auch immer, in der Architektur des Werks steckt immenser Trost für genau die Zeiten, die Gesellschaften aktuell durchleben. Die Welt wird nicht mehr jene sein wie vor dem "Contact", aber es wird eine neue Harmonie ausgehandelt. Der Abend bot aber noch mehr als Puts´ "Contact". Das Orchester aus Kiev unter der mitreißenden Leitung von Jascha von der Goltz präsentierte zu Beginn des Konzerts die Hochzeitslieder aus der Oper Zolotoslov von Lesia Dychko sowie nach der Pause Levko Revutskys Sinfonie Nr. 2. Auch diese Werke zeichnen sich durch großen Einfallsreichtum aus, den das Sinfonieorchester aus Kiev auf wundervolle Weise präsentierte.Es war schön, den satten, vollen Klang des Kyiv Symphony Orchestra zu genießen, das die Vorzüge der Akkustik des "hölzernen" Saals des Deutschen Hauses wundervoll in Szene setzte. Selbst die Verstärkung des Sounds mittels Technik funktionierte im großen Saal des Deutschen Hauses in Flensburg wunderbar.Es bleibt die Erinnerung an einen Konzertabend voller Spannung, Überraschungen, Gänsehautmomenten und eine Begeisterung, die ich so selten aus einem Konzertsaal nach Hause tragen durfte. Dass das SHMF dies in Flensburg möglich gemacht hat, dafür – und natürlich für die Leistung aller Musikerinnen und Musiker – einen riesigen Dank!