Das Lisa Wilhelm Quartett - ein Jazzkonzert voller Überraschungen

Am Veranstaltungsort (Ex-Sultanmarkt) fällt zunächst eine kleine Version der Eisbärenskulptur, die über Monate auf einem Ponton im Flensburger Hafen saß ins Auge. Das Venue war in seinem Vorleben ein Supermarkt, bevor die Räumlichkeiten in ein Kulturzentrum verwandelt wurden. Man hätte also eine recht kalte Atmosphäre erwarten können, aber das Gegenteil war der Fall. Den vier jungen Jazzern aus Stuttgart und den Veranstaltern gelang es, den Abend mit viel Wärme und Herzblut zu gestalten.
Das Konzert begann äußerst unauffällig, gerade so, als würden eben noch schnell die Instrumente gestimmt, mit einem Ostinato- Ton vom Klavier, den dann die weiteren Instrumente zu umspielen begannen. Daraus entwickelte sich dann langsam der Charakter des ersten Stücks.
Im Folgenden
präsentierten die vier ausschließlich eigenes Material, keine
Standards.
Es gab zwar Soli,
aber nicht, um die Performance einzelner Quartettmitglieder zu
feiern, sondern um den Gesamtklang zu variieren. Die Stücke waren
wie Geschichten, jedes der Instrumente trug einen Teil dazu bei, den musikalischen Handlungsverlauf voranzutreiben und so dazu, dass dieses Konzert als ein besonderes in Erinnerung bleiben wird. Kannte
man die CD nicht, war zu Beginn der Stücke nicht absehbar, wie die
"Handlung" sich entwickeln würde, ganz wie bei einem guten Spielfilm. Dabei hatte die Musik recht unterschiedlichen Charakter. Es gab kraftvolle, energiegeladene Passagen aber auch sehr lyrische
Phasen. Vor dem Hintergrund dieses "Storytellings" verwundert es
nicht, dass die Betitelung der Stücke sich Zitaten bediente, und
zwar von Filmtiteln, die allesamt, wie die Stücke, etwas
außergewöhnlich und sehr kreativ waren ("The Guardian of the
Infinite Abyss"). Der Untertitel des ersten Albums des Quartetts
ist "Quoted, not stolen", was als Referenz an Bob Dylan und der
Debatte um die Herkunft der Ideen seines Spätwerks (besonders des
Albums "Love and Theft") verstanden werden könnte, auch wenn
dies so nicht erwähnt wurde. Der Jazz an sich zeichnet sich ja durch
eine Unmenge an Referenzen aus, so dass diese Idee durchaus stimmig
erscheint.
Lisa Wilhelm übernahm die Moderation des Konzerts und sie erläuterte dem Publikum die Hintergründe zu den Titeln. Da Wilhelm nicht nur Namensgeberin des Quartetts ist, sondern auch dessen Schlagzeugerin und Leaderin, nimmt es nicht Wunder, dass viele Stücke mit recht vertrackter Rhythmik garniert wurden, phasenweise, wenn Bass und Klavier einträchtig im selben Rhythmus spielten, sogar regelrecht zerlegt wurden. Aber nur das Schlagzeug hervorzuheben würde dem Konzert nicht gerecht werden, zu viele klangliche Highlights wurden von Moritz Langmaier am e- Piano und Franz Blumenthal (Bass) sowie von Lukas Wögler am Tenorsaxophon beigesteuert. Keines der präsentierten Stücke lebte von nur einer Hauptidee, die dann variiert wurde, alle waren Klangeisen, die sich durch üppigen Ideenreichtum bis ins kleinste Detail auszeichneten. Alle vier Bandmitglieder waren voller Elan und musikalischer Pläne (so ist eine weitere CD-Produktion geplant), so dass es nicht verwunderlich wäre, das Lisa Wilhelm Quartett in naher Zukunft auf einem großen Jazzfestival wie der Jazz Baltica wiederzusehen, es wäre sogar sehr zu wünschen, denn was dieses Quartett abliefert, genügt höchsten Ansprüchen.
Nach dem Konzert waren sich die Musiker*Innen und das Publikum einig, dass das Quartett in die Stadt an der Förde zurückkehren müsse, ein großer Dank an Lothar Baur und den Verein 8001 dafür, dieses außergewöhnliche Quartett nach Flensburg geholt zu haben.