Don Giovanni - die Wiener Staatsoper präsentiert die bedeutende Mozartoper in der Inszenierung von Barrie Kosky

16.04.2024

Mozarts Don Giovanni in der Wiener Staatsoper. 

Was kann man einer Reise nach Wien noch hinzufügen, wenn man nach Musik sucht, die einen Bezug zum Ort hat? Eine Möglichkeit ist, Mozarts Don Giovanni in der Staatsoper zu erleben. Diese Oper, gern als "Oper aller Opern" bezeichnet, ist mit Wien und dem Haus an der Ringstraße eng verknüpft, auch wenn sie nicht in Wien, sondern in Prag zur Uraufführung gebracht wurde. Immerhin wurde die Staatsoper einst mit dieser Oper eröffnet. Es beginnt mit dem Knall der Ouvertüre und schon sehr bald werden die Vorzüge dieser Interpretation unter dem Dirigat von Bertrand de Billy deutlich. Hier wird nichts überhöht oder übertrieben, die Tempi sind vergleichsweise gemäßigt ausgeführt ohne jemals lahm oder fad zu wirken. So schafft das Orchester einen Rahmen, der den Solistinnen und Solisten viele Möglichkeiten der Ausdeutung dieses außergewöhnlichen und genialen Materials Mozarts und seines Librettisten Da Ponte bietet. 

Auch dem Publikum wird in der Produktion von Barrie Kosky mit dem Bühnenbild und Kostümen von Katrin Lea Tag viel Interpretationsraum gegeben. Vieles ist nicht gegenständlich. Es wird eine karge schiefe Ebene bespielt, auf die Darstellung eines Hauses oder dessen Bestandteile wird auch bei der Arie "Deh vieni alla finestra" verzichtet und es bleibt unklar, ob die dargestellte Handlung reell ist oder eine Erinnerung an einen Traum oder eine Erinnerung an ein Ereignis in der Vergangenheit wie der Regisseur in einem Interview für das Programmbüchlein erläutert. Die Solopartien sind durchweg genial besetzt, so dass der Vielschichtigkeit, die in der Handlung dieser Oper angelegt ist und sich musikalisch unter anderem dadurch manifestiert, dass Mozart Elemente sowohl der opera buffa als auch der opera seria verwendet, auch stimmlich Rechnung getragen werden kann. Auch Bogdan Volkov überzeugt mit seinem lyrischen Tenor als Nachbesetzung in der Rolle des Don Ottavio. Einen frühen Höhepunkt setzt Jusung Gabriel Park in der Rolle des Masetto, der in der Arie "Ho capito, signor, si " mit einer enormen Flexibilität sowohl die Tiefen, als auch mit gleicher Leichtigkeit und Geschmeidigkeit die Höhen ausfüllt. Christopher Maltman ist in der Lage die recht komplexe Figur des Leporello in all ihren erforderlichen Facetten gesanglich und schauspielerisch auszuleuchten. Dabei zeigt er eine Präsenz, die auch auf der obersten Ebene im Balkon noch mitreißend wirkt.Wenn Andrzej Filończyk als Don Giovanni von der Mandoline begleitet das berühmte "Deh vieni alla finestra" singt, ist dies sehr, sehr weit von Kitsch oder Klischee entfernt. Aber die Rolle verlangt viel mehr und Filonczyk wird der Komplexität des Don Giovanni sowohl stimmlich als auch schauspielerisch gerecht. Hier muss natürlich auch das Duett des Don Giovanni mit Zerlina (Isabel Signoret) erwähnt werden, wo gleiches gelingt. Der Kitsch ist in dieser Inszenierung immer in sehr weiter Ferne, vielmehr ist sie gekennzeichnet von Tiefgründigkeit und, wo vorgesehen, Leichtigkeit, niemals oberflächlich oder bedeutungslos. 

Die in kleinen Gruppen (Terzett, Quintett oder gar Sextett) gesungenen Stücke erweitern in ihrer Mehrstimmigkeit die klanglichen Möglichkeiten, die der Sologesang hat, so souverän auch die Koloraturen in dieser Produktion geraten. Das wird noch einmal durch den Chor erweitert, der zwar kurz, aber effektvoll eingesetzt wird und das dionysische in Mozarts Don Giovanni auch durch gelungene an Puck erinnernde Kostümierung zusammen mit professionellem Tanz unterstreicht. 

Etwas schwer zu verstehen ist, warum in der "Statuenszene" statt einer Darstellung von etwas, das der Zuschauer als Statue betrachten könnte, Wasser in einer Grube verwendet wird. Immerhin handelt es sich bei dieser Szene sozusagen um den entscheidenden Wendepunkt, der die "Rückkehr" des Komtur einleitet. Die "Rückkehr" des Komtur (Commendatore) und die Bestrafung Don Giovannis für sein triebvolles, rücksichtslose Verhalten gerät zu einem weiteren Höhepunkt dieser an Höhepunkten wahrlich nicht armen Opernproduktion. Antonio di Matteo singt hier gleichzeitig macht- und würdevoll mit einer Kraft auch in der Tiefe, die alles zu durchdringen scheint. 

Das als Fuge komponierte abschließenden Sextett "Questo e il fin" singen die nach dem Tod Don Giovannis auf der Bühne Verbliebenden Federica Lombardi, Nicole Car (die bereits in ihren Arien, zum Beispiel in dem an Händel erinnernden "Ah fuggi il traditor" großen Applaus einfuhr), Bogdan Volkov, Jusung Gabriel Park, Christopher Maltman sowie Isabel Signoret dann noch wie in einem Reqiem oder Oratorium, welcher Vergleich zutreffenden ist, muss der Zuhörer selbst entscheiden. 

Mit diesem Don Giovanni jedenfalls lässt sich die Wiener Staatsoper nicht lumpen und erfüllt restlos alle Erwartungen, die man an eine Opernproduktion auf Weltklasseniveau haben kann.