Emerson String Quartet verabschiedet sich von Deutschland mit Konzert in Flensburg

19.03.2023

 Wie verabschiedet man sich als Streichquartett nach 47 Jahren Bühnenpräsenz und geradezu unzählbar vielen Preisen und Referenzaufnahmen vom Publikum? Eugene Drucker, Philip Setzer (beide Violine), Lawrence Dutton (Viola) und Paul Watkins (Violoncello) fanden einen Weg, der bleibenden Eindruck beim Publikum hinterlassen wird. Im Rahmen der Reihe "Meisterkonzerte" des Flensburger Vereins der Musikfreunde spielten sie eine Matinee am Sonntag, 19.3. im Stadttheater Flensburg. Sie begannen ihr Programm mit dem Streichquartett Nr. 1 Es-Dur op. 12 von Felix Mendelssohn-Bartholdy. Dieses kann als "klassischer" Vertreter der Gattung gesehen werden, klanglich fällt über weite Strecken eine gewisse Kantabilität auf, das Werk ist, wenn es so souverän präsentiert wird, einfach schön anzuhören. Im zweiten Satz wirkt das Stück regelrecht tänzerisch – leichtfüßig. Andächtig dann der Beginn des dritten Satzes. Die vier Amerikaner ziehen schon im ersten Quartett eine ganze Menge Register und zwar mit einer Souveränität, die man erst mit einer Weisheit gewinnt, wie sie sich aus jahrzehntelanger Spielpraxis ergibt. Nichts ist überzogen, nichts zu minimalistisch. Das Emerson Quartett trifft immer den richtigen Ton. Als zweites dann das Streichquartett Nr. 12, Des-Dur op. 133 von Dmitri Schostakowitsch. Dieses ist aufgrund der Nähe zur Zwölftonmusik für Zuhörende recht schwer verdaulich und wohl noch schwerer zu spielen. Nach dem so harmonischen Mendelssohn stellte der Schostakowitsch einen spannenden Kontrast dar mit all seinen unkonventionellen melodischen aber auch harmonischen Einfällen. Es fällt nicht schwer, sich vorzustellen, dass der Komponist es im Stalinstaat nicht einfach hatte. Auch hier findet das Emerson Quartett einen Weg, der der Zuhörerschaft zwar die "Disharmonie" nicht erspart, diese aber in keinster Weise übertreibt, so dass das Werk ein fantastisch-spannendes Klangerlebnis wird. Nach der Pause gab es dann eine kleine Umbesetzung, Drucker und Setzer tauschen ihre Positionen für das Streichquartett Nr. 14 As-Dur op. 105 von Anton Dvorak, sein letztes Werk der Kammermusik. Dieses wirkt nach dem anspruchsvollen Vorgänger von vor der Pause geradezu versöhnlich. Die Melodiebögen werden wieder als "schön" empfunden aber auch hier wird an keiner Stelle in irgendeine Richtung übertrieben. Schon jetzt wird man sich bewusst, ein sehr besonderes Konzert erlebt zu haben. Drucker, Setzer, Dutton und Watkins kommen für eine Zugabe zurück auf die Bühne, angekündigt auf deutsch. Sie erzählen, dass dies ihr letztes Konzert in Deutschland gewesen sei und dass sie ihrer Melancholie darüber mit einem weiteren kleinen Stück von Dvorak Ausdruck verleihen wollten: "Ich schleiche jetzt um das Haus" aus "Zypressen". Zypressen stellt den Blick eines (gereiften) Mannes zurück auf eine Jugendliebe dar. Dvorak soll es über 22 Jahre hinweg immer wieder bearbeitet haben, bis es eine Endversion erhielt. Was für eine Parallele zum Emerson Quartett, das über fast fünf Jahrzehnte an seiner Kunst gefeilt hat und nun noch einmal auf seine Liebe, die Gattung des Streichquartetts schaut – und das Flensburger Publikum daran teilhaben lässt. Entsprechend beglückt waren die Zuhörer. Standing Ovation war da eine Selbstverständlichkeit.

Carsten Ingwersen