La Traviata in Flensburg, ein Erlebnis, das in Erinnerung bleibt

La Traviata in Flensburg, ein Erlebnis, das in Erinnerung bleibt
Ich bin bei italienischen Opern eigentlich recht skeptisch, diese Produktion hat mich aber überzeugt, dass die italienischen Opern der Romantik ihre Popularität fraglos verdient haben. Was dieses Werk aus der Feder Verdis zu bieten hat, zeigt das Schleswig-Holsteinische Landestheater derzeit unter anderem in Flensburg.
Die
Handlung geht auf eine Idee von Alexandre Dumas zurück ("Die Kameliendame") und bildet
eine perfekte Grundlage für eine Oper, die die ganze Bandbreite der
"großen Gefühle" von Eifer, Kränkung bis zum Schwärmen und Leiden abbildet. Auch ein Skandal fehlt nicht.
Die Sängerinnen und Sänger sind ausnahmslos super Besetzungen für ihre Rollen. Das ist keine
Selbstverständlichkeit, die Uraufführung der Oper 1853 in Venedig wurde auch
aufgrund einer Überforderung der Sänger zum "Fiasko". In der
Rolle der Violetta brilliert Shelley Jackson. Ihr Sopran ist den irrwitzigsten Koloraturen und Sprüngen in schwindelerregende
Höhen gewachsen. Besonders beeindruckt Jacksons Gesang in der
Arie "Follie! Follie! Delirio vano è questo", die enormste
Ansprüche an Kondition und Technik stellt. Aber auch David Esteban
(Tenor) als Alfredo und Philipp Franke (Bariton) in der Rolle des
Giorgio Germont (Alfredos Vater) überzeugen auf ganzer Linie. Ich
habe vor der Aufführung einige Male die Aufnahme der berühmten
Produktion der Salzburger Festspiele mit Anna Netrebko, Rolando
Villanzon und Thomas Hampson gehört. Wieder einmal muss ich
feststellen, dass sich die Flensburger nicht verstecken müssen.
Experten mögen auf die feinen Unterschiede in der Qualität des
Gesangs hinweisen, der Eindruck für den Nicht-Experten ist jedoch
bis auf den hörbaren Unterschied in der Größe des Orchesters
durchaus vergleichbar. Es ist zu hoffen, dass die fantastischen
Stimmen noch oft in Flensburg zu hören sein werden, bevor die
Karriere sie aus dem Norden fortführt.
Der von Avishay Shalom in den Proben betreute Chor singt energiegeladen und schwungvoll. Durch die auch in Flensburg große
Besetzung mit Extrachor kommt er in einer Klangfülle daher, die das
eher dünn besetzte aber unter dem Dirigat von Sergy Roca Bru souverän, dynamisch und differenziert spielende Orchester fast schon
klein erscheinen lässt.
Die Kostümierung der Flensburger Produktion ist geschmackvoll, das Bühnenbild (beides Angelika Höckner) eher sparsam aber dennoch effektvoll gestaltet. Während der Ouvertüre und am Ende des letzten Akts, der das Leiden Violettas darstellt, wird das Portrait der Violetta als Video auf einen Vorhang projiziert, der vom Rahmen einer Theaterbühne umgrenzt ist. Das ist ein eindrucksvolles Extra, wäre aber eigentlich nicht nötig, denn Shelley Jackson überzeugt nicht nur stimmlich, sondern auch schauspielerisch. Ihr gelingt es, die Leidensgeschichte der Violetta überzeugend auch ohne Stimmensatz auszudrücken.
Viel ändert sich zwischen
den Akten am Bühnenbild bis auf einige Details nicht, in dieser Produktion
stehen ganz die Musik und die Handlung im Mittelpunkt.
Ganz
nebenbei beweist die Flensburger Produktion, dass Oper nicht ist,
wofür viele Menschen sie halten, eine exklusive Veranstaltung für
eine kleine Elite. Das Haus ist ausverkauft und im Publikum finden
sich viele junge Menschen (nicht nur Schulkurse) und Menschen mit
Migrationshintergrund. Hier führt Oper zusammen. Das Publikum (auch die Jugend) ist begeistert, nach der Aufführung gibt es Standing Ovation. Mit dieser hätte man die Akteure am liebsten zu einer Zugabe gebracht. Schade, dass dies bei Opern nicht üblich ist.
La Traviata, zu deutsch etwa "die
vom rechten Weg abgekommene". Hier ist das SH Landetheater nicht vom Weg abgekommen sondern beschreitet genau den richtigen Weg um das Genre Oper mit zeitgemäßen Leben zu
erfüllen, mehr noch, ihr eine Zukunft mit und nicht ohne die Jugend im Publikum zu geben. Weiter so, Landestheater. Und vielen Dank für ein fantastisches Opernerlebnis.