La Traviata in Flensburg, ein Erlebnis, das in Erinnerung bleibt

17.02.2024

 La Traviata in Flensburg, ein Erlebnis, das in Erinnerung bleibt

Ich bin bei italienischen Opern eigentlich recht skeptisch, diese Produktion hat mich aber überzeugt, dass die italienischen Opern der Romantik ihre Popularität fraglos verdient haben. Was dieses Werk aus der Feder Verdis zu bieten hat, zeigt das Schleswig-Holsteinische Landestheater derzeit unter anderem in Flensburg.

Die Handlung geht auf eine Idee von Alexandre Dumas zurück ("Die Kameliendame") und bildet eine perfekte Grundlage für eine Oper, die die ganze Bandbreite der "großen Gefühle" von Eifer, Kränkung bis zum Schwärmen und Leiden abbildet. Auch ein Skandal fehlt nicht.
Die Sängerinnen und Sänger sind ausnahmslos super Besetzungen für ihre Rollen. Das ist keine Selbstverständlichkeit, die Uraufführung der Oper 1853 in Venedig wurde auch aufgrund einer Überforderung der Sänger zum "Fiasko". In der Rolle der Violetta brilliert Shelley Jackson. Ihr Sopran ist den irrwitzigsten Koloraturen und Sprüngen in schwindelerregende Höhen gewachsen. Besonders beeindruckt Jacksons Gesang in der Arie "Follie! Follie! Delirio vano è questo", die enormste Ansprüche an Kondition und Technik stellt. Aber auch David Esteban (Tenor) als Alfredo und Philipp Franke (Bariton) in der Rolle des Giorgio Germont (Alfredos Vater) überzeugen auf ganzer Linie. Ich habe vor der Aufführung einige Male die Aufnahme der berühmten Produktion der Salzburger Festspiele mit Anna Netrebko, Rolando Villanzon und Thomas Hampson gehört. Wieder einmal muss ich feststellen, dass sich die Flensburger nicht verstecken müssen. Experten mögen auf die feinen Unterschiede in der Qualität des Gesangs hinweisen, der Eindruck für den Nicht-Experten ist jedoch bis auf den hörbaren Unterschied in der Größe des Orchesters durchaus vergleichbar. Es ist zu hoffen, dass die fantastischen Stimmen noch oft in Flensburg zu hören sein werden, bevor die Karriere sie aus dem Norden fortführt.
Der von Avishay Shalom in den Proben betreute Chor singt energiegeladen und schwungvoll. Durch die auch in Flensburg große Besetzung mit Extrachor kommt er in einer Klangfülle daher, die das eher dünn besetzte aber unter dem Dirigat von Sergy Roca Bru souverän, dynamisch und differenziert spielende Orchester fast schon klein erscheinen lässt.

Die Kostümierung der Flensburger Produktion ist geschmackvoll, das Bühnenbild (beides Angelika Höckner) eher sparsam aber dennoch effektvoll gestaltet. Während der Ouvertüre und am Ende des letzten Akts, der das Leiden Violettas darstellt, wird das Portrait der Violetta als Video auf einen Vorhang projiziert, der vom Rahmen einer Theaterbühne umgrenzt ist. Das ist ein eindrucksvolles Extra, wäre aber eigentlich nicht nötig, denn Shelley Jackson überzeugt nicht nur stimmlich, sondern auch schauspielerisch. Ihr gelingt es, die Leidensgeschichte der Violetta überzeugend auch ohne Stimmensatz auszudrücken. 

Viel ändert sich zwischen den Akten am Bühnenbild bis auf einige Details nicht, in dieser Produktion stehen ganz die Musik und die Handlung im Mittelpunkt.
Ganz nebenbei beweist die Flensburger Produktion, dass Oper nicht ist, wofür viele Menschen sie halten, eine exklusive Veranstaltung für eine kleine Elite. Das Haus ist ausverkauft und im Publikum finden sich viele junge Menschen (nicht nur Schulkurse) und Menschen mit Migrationshintergrund. Hier führt Oper zusammen. Das Publikum (auch die Jugend) ist begeistert, nach der Aufführung gibt es Standing Ovation. Mit dieser hätte man die Akteure am liebsten zu einer Zugabe gebracht. Schade, dass dies bei Opern nicht üblich ist.

La Traviata, zu deutsch etwa "die vom rechten Weg abgekommene". Hier ist das SH Landetheater nicht vom Weg abgekommen sondern beschreitet genau den richtigen Weg um das Genre Oper mit zeitgemäßen Leben zu erfüllen, mehr noch, ihr eine Zukunft mit und nicht ohne die Jugend im Publikum zu geben. Weiter so, Landestheater. Und vielen Dank für ein fantastisches Opernerlebnis.