Oper im Deutschen Haus - "verkleidet" als Oratorium
Wenn die Zeitung keinen Konzertbericht veröffentlicht, dann tippe ich eben ein paar Zeilen. Es war große Oper, die es im Deutschen Haus zu hören gab - "verkleidet" als Oratorium. Am Samstag konnte das musikinteressierte Publikum eine Sternstunde erleben. Das Soenderjylland Sinfonie Orchester spielte unter der Leitung von Matthias Janz Schumanns "Das Paradies und die Peri". Unterstützung erhielten die Sinfoniker vom Sinfonischen Chor Hamburg und dem Flensburger Bachchor sowie sechs fantastischen Solist*innen. Das Schumann-Werk führt heute, obwohl es für Schumann einst den internationalen Durchbruch als Komponist brachte, eher ein Schattendasein und wird vergleichsweise selten zur Aufführung gebracht. Wer aber die Gelegenheit erhält, es im Konzert zu erleben, bekommt das Drama einer Oper (die Handlung basiert auf dem Orient-Epos "Lalla Rookh" von Thomas More) gepaart mit der Liedkompositionskunst eines Schumann geboten. Um die Verwirrung perfekt zu machen, wird "Das Paradies und die Peri" formal als Oratorium bezeichnet. Es gibt aber kaum Rezitative, Schumann hat seine Erfahrungen aus der Liedkomposition gekonnt in das Oratorium einfließen lassen.Manche Musikwissenschaftler sind der Ansicht, dass dieses Werk einige musikalische und konzeptionelle Gedanken Richard Wagners vorwegnehme. Jedenfalls wirkt das Oratorium sehr gewaltig, bleibt aber nicht ohne traumhaft schöne und äußerst lyrische musikalische Momente. Da ist der Tyrann (Yorck Felix Speer, Bass), der, nachdem er es nicht schafft, einen jungen Helden auf seine Seite zu ziehen, diesen quasi exekutiert, aber auch eine Liebende, die ihrem Partner in den (Pest-) Tod folgt. die Idee der Liebe bis in den Tod. Beide Ideale, Aufrichtigkeit und Sterben für die eigenen Ideale, aber auch bedingungslose Liebe bis in den Tod, sind die Kernelemente der ersten beiden Teile. Eine Peri, ein elfenartiges Wesen der persischen Mythologie, ist aus dem Paradies verbannt worden, darf aber, wenn sie an der Pforte zum Paradies den Engeln eine besonders edle Gabe darbieten kann, wieder zurückkehren. Ihre Suche nach dieser besonders edlen Gabe bildet den Handlungsrahmen für die Erzählung, souverän gesungen präsentiert vom Tenor Dovlet Nurgeldiyev. Die Tränen der Reue eines alten Mannes, der einen unschuldigen Knaben erblickt, führen die Peri schließlich zurück ins Paradies. Den Part der Peri übernahm die Sopranistin Susanne Bernhard, die für viele Höhepunkte sorgte. Weitere Highlights war der Dialog der Jungfrau mit ihrem Geliebten, gesungen von Karola Sophia Schmid, Sopran und Ilker Arcayürek, Tenor.Einen besonders herausragenden Moment hervorzuheben ist aufgrund der Fülle solcher eigentlich gar nicht möglich, aber im Quartett "O Heil´ge Tränen" mit Marianne Beate Kielland (Mezzosopran/Alt), Karola Sophia Schmid (Sopran) und Ilker Arcayürek (Tenor) und den beiden Chören (Sinfonischer Chor aus Hamburg sowie dem Flensburger Bachchor) kam so vieles zusammen, dass es als ein Highlight des Oratoriums verstanden werden kann. Die Teilung des Chors im ersten Teil in einen "Chor der Eroberer" und einen "Chor der Inder", die einander quasi gegenüberstanden, zeigte das Opernhafte des Werks und bleibt ebenfalls im Gedächtnis, ebenso wie die Opposition des Eroberers (natürlich wie in Opern üblich gesungen vom Solobass) und des Jünglings, verkörpert, eigentlich eher "verstimmlicht" vom Solotenor, diese Teilung unterstreicht. Im Frauenchor der Genien des Nils wird das elfenhaft - mysteriös Mythische der Handlung herausgearbeitet, die Klangmalerei Schumanns macht es den Zuhörern leicht, sich die seicht bewegten Wasser des noch jungen Nils vorstellen. Es muss noch das Happy End erwähnt werden, die Peri darf ins Paradies zurückkehren, wird vom Chor der Seligen empfangen und singt ihren Jubel heraus, dabei das hohe C erreichend. Dieser Part ist sowohl rhytmisch als auch harmonisch spannend gestaltet und bildet einen würdigen Schlusspunkt für dieses so besondere Oratorium.Die Auswahl der Solisten für das Oratorium und die Klasse der Sinfoniker aus Soenderjylland unter dem Dirigat von Matthias Janz ermöglichten ein ausgewogenes und stimmiges Klangbild für eine Fülle unterschiedlicher musikalischer Stimmungen. Es war etwas bedauerlich, dass einige Sitze leer blieben, aber die Aufführung war mehr ein Sieg der Musik über die Pandemie als umgekehrt und wer die Musik genießen konnte, ging erfüllt nach Hause.
Carsten Ingwersen