Ragna Schirmer begeistert beim zweiten Meisterkonzert der Saison des Flensburger Vereins der Musikfreunde
Manche Konzerte begeistern mehr als andere. Am heutigen Sonntag gastierte die Pianistin Ragna Schirmer auf Einladung des Flensburger Vereins der Musikfreunde im Stadttheater.Mitgebracht hatte sie die Goldbergvariationen, die sie bereits vor etwa 20 Jahren eingespielt hatte, eine Aufnahme, die Kritiker als Referenzeinspielung bezeichneten. Ragner Schirmer erzählte zu Beginn, dass sie die 30 Variationen nach dem ersten Lockdown bis zu fünf Mal am Tag für 30 erlaubte Zuhörer gespielt habe. Wie sehr Ragna Schirmer den damit verbundenen Erwartungen gerecht werden kann, zeigte sie bereits in ihrer Werkeinführung die ebenso informativ und dabei unterhaltsam wie umfänglich war.Mit Grundlageninformationen zum besseren Verständnis der Varationen versehen war man als Zuhörer in der Lage, Aspekte im Werk aber auch im Spiel Schirmers zu entdecken, die von einem durchschnittlichen Hörer sonst unerkannt geblieben wären. So wies Schirmer darauf hin, dass die Variationen für zweimanualiges Cembalo geschrieben worden sind, was es den Spielenden vereinfacht, die Hände einander kreuzen zu lassen. Dass es auch auf einem Manual eines Konzertflügels funktioniert, hätte eindrucksvoller nicht bewiesen werden können. Der Durchgang durch alle Variationen war wie eine Reise mit geradezu donnernden Turbulenzen im Fortissimo bei atemberaubender Geschwindigkeit aber auch unglaublich lyrischen Momenten, langsam und einfühlsam – und allen denkbaren Nuancen zwischen diesen beiden Polen. Schirmer verwendete das Bild eines Lebens mit den beiden Polen Geburt und Ende, die melodisch in diesem Werk entsprechend aufeinander Bezug nehmen. Die Goldbergvariationen sind sehr planvoll, geradezu mathematisch präzise angelegt, eine Tatsache, die mich dem Stück mit großem Respekt begegnen ließen. Ragna Schirmer fand aber einen Weg, der es auch etwas ungeübteren Zuhörern (zu denen ich mich selbst zähle) möglich macht, einen Zugang zu finden und zwar einen, der sich ziemlich mühelos "anfühlt". Ich denke dass dies das Ergebnis ist, wenn eine Musikerin ein Werk nicht nur spielt sondern im besten Sinne vermittelt. Und das gelingt wohl niemandem so wie Ragna Schirmer. Ihr und dem Veranstalter, dem Flensburger Verein der Musikfreunde, gebührt ganz großer Dank, besonders in Zeiten wie diesen einen solchen Lichtblick in Flensburg möglich gemacht zu haben. Es war ein Konzert, das begeisterte – mehr als andere.
Carsten Ingwersen